Das Netz ist das, was Du draus machst

Alltag, Der Stoßseufzer

Mails aus der Vorhölle

Am frühen Vormittag erreicht mich eine Mail, die so gruselig ist, dass sie meine komplette Produktivität kurzzeitig auf Eis legt. Spam? Ich wünschte, es wäre so. Stattdessen schreibt mir ein ehemaliger Nachbar, mit dem wir guten freundschaftlichen Kontakt pflegten.

Zunächst schlägt er mir eine Verdienstmöglichkeit über das Internet vor. Das Prinzip sei einfach, man verdiene Geld, indem man E-mail-Adressen sammle und sie mittels eines Marketing-Tools mit Werbung befeuere. Ob das nichts für mich wäre? Ähm, nein.

Der letzte Absatz aber ist Hammer. Da er momentan für ein neues Buchprojekt recherchiert, schlägt er mir die Co-Autorschaft an einem “politisch-investigativen Projekt im Stile Thilo Sarrazins” vor.

 

Ich soll WAS???

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Dazu fällt mir nichts mehr ein.

Danke an reply.gif und wifflegif.com.

 

04.08.2014, das versprochene Update:

Vor etwa zwei Wochen habe ich in einer langen Mail geantwortet.  Darin schlug ich unter anderem ein kurzes Treffen vor, weil wir vor einigen Tagen runterfahren mussten. Von der E-mail-Sache habe ich so neutral wie möglich abgeraten und ihm empfohlen, sich dahingehend mal die Gesetzeslage anzuschauen. Zu seinem geplanten Buch habe ich mich etwas emotionaler ausgelassen. Ich schrieb ihm nicht nur, was ich von der Idee an sich (Schwachsinn, da nicht vermarktbar) oder der Person Sarrazin (Vollidiot) halte, sondern auch, dass es mich traurig mache, zu erkennen, wie wenig er unsere abweichenden politischen Ansichten bisher offenbar zur Kenntnis genommen habe. Dass ich ihn nicht wegen seiner überaus zweifelhaften politischen Einstellung aus der rechtskonservativen Ecke schätzte, sondern wegen seiner menschlichen Qualitäten. Und dass ich das – aus meiner Perspektive – auch meine, immer sehr deutlich gemacht zu haben. Weswegen ich das Angebot an sich nicht verstünde, weil doch klar sein müsse, dass ich an einem solchen Text niemals mitarbeiten würde. Und dass ich ihm außerdem raten würde, seine eigene Zeit nicht damit zu verbringen, Sarrazins Hass zu reproduzieren.

Er hat geantwortet! Eine kurze Mail, in der er schreibt, er selbst sei leider an dem vorgeschlagenen Datum nicht da, richte aber meine Grüße an seine Frau gerne aus. Und er habe kürzlich wieder Mirabellenmarmelade gekocht.

 

 

  1. Das nennt man dann wohl ein unerwartetes böses Erwachen. Wirst du antworten?

  2. Schöne neue Welt des Selfpublishing…

  3. und der nachbar war sonst politisch vorher unauffällig? wäre interessant zu erfahren, was er wohl mit “im stile thilo sarrazins” meint. denn hätte ers mir vorgeschlagen, wäre meine frage vor allem gewesen, ob er denke, daß ich so dröge, faktenhuberisch und einschläfernd-rechthaberisch schreiben könne wie der. denn selten werden “provokante thesen” so langweilig vorgetragen wie von sarazzin?
    und habt ihr vorher nie über politik gesprochen? ich kann mir nun eher nicht vorstellen, daß jemand, der dich kennt, dich in die rechte ecke packt?
    und was er genau für ein projekt vorhat, sagt er auch nicht? also gegen wen es gehen soll?
    aber es wird dich erleichtern, daß er ein ehemaliger nachbar ist, so daß kein grüßproblem auftreten wird?
    wirst du ihm gepfeffert antworten oder eiskalt schweigen? kennt er deinenn blog/twitteraccount?
    meine erfahrung ist, daß mehr leute als man so meint, wenn sie ordentlich einen getrunken haben oder wütend sind, zb antisemitisches zeugs von sich geben, wovor ja auch die alt- oder neulinke nicht sicher ist, sie nennen es dann halt “israelkritik”.
    nun, wie auch immer, ich hoffe deine aktuellen netten nachbarn werden dir keine solchen überraschungen mehr bereiten. unter dem deckmantel der politischen korrektheit kann ja auch so einiger muff sich ansammeln, schließlich ist der auch zum talar geworden.
    aber das ist ein weites feld..

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Ja, da legst Du natürlich zwei Finger auf wesentliche Punkte. Doch, wir haben früher über Politik gesprochen. Und man kann ihn wohl kaum als unauffällig bezeichnen. 🙂 Ich bin also nicht überrascht, dass er ein solches Buch schreiben will (rechthaberisch-einschläfernd. Sehr schön!). Was mich sehr überrascht ist, dass er offenbar all die Jahre meine Einwände, Ablehungen und mein deutliches Distanzieren von seinen politischen Positionen überhört/ übersehen hat. Und das kann ich nicht einfach so stehen lassen.

      Ist sehr unwahrscheinlich, dass er mein Blog liest, aber ich nenne selbstverständlich keine Namen oder andere Fakten. Und meine Reaktion musste vorhin einfach mal kurz irgendwo hin. Diese Anfrage hat mich richtig getroffen. Wenn er das hier lesen würde, hätte ich aber auch kein Problem, denn irgendwann in den nächsten Tagen werde ich ihm antworten. Und ich werde ein weiteres Mal versuchen, bei aller Höflichkeit und bei dem netten Verhältnis, das wir mit ihm und seiner Freundin haben, meine Einstellung dazu klar zu machen.

      Danke für Deinen Kommentar!

  4. Ich möchte mal vorsichtig Bedenken äußern. Es könnte durchaus sein, dass seine E-Mailadresse bei einem Spammer gelandet ist, der sich als dein ehemaliger Nachbar ausgibt. Soll ja immer mal wieder vorkommen. Deswegen ist es ja so wichtig, dass man seine E-Mails mit PGP unter­schreibt.

    Bist du dir sicher, dass die E-Mail nicht von jemandem kommt, der E-Mail-Adressen sammelt und sie mittels eines Marketing-Tools mit Werbung befeuert?

  5. Anita

    Schade, dass dieser Mensch Dir anscheinend NIE zugehört hat.

    Ich hätte wahrscheinlich kein “nettes” Verhältnis zu solch einem Menschen. Ich kann nämlich nicht höflich distanziert mit “sowas” oder “solchem” Gedankengut umgehen. Ich werde dann immer sehr direkt und dann hat sich das auch sofort erledigt.

    Und solche Bücher, wie Sarrazin oder Ähnliche, kann ich überhaupt nicht gut ertragen. Sie sind auch nicht wirklich einschläfernd. Mich machen sie massiv wütend.

    Aber ich bin auch kein guter Diplomat. Verbiegen liegt mir nicht.

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Hm. Als Verbiegen habe ich es nicht gesehen. Dass man gerade aufm Dorf seine Nachbarn manchmal einfach reden lassen muss, habe ich unter dem “Leben und Leben Lassen”-Prinzip gehakt. Bei vielem ist mir durchaus auch sichtbar die Hutschnur gegangen, zum Beispiel kann ich mich an eine Diskussion im Treppenhaus erinnern, die mit einem “Ich hör Dir nicht mehr zu” meinerseits beendet wurde. Dass er in der Lage ist/war, meine Einwände und Hinweise darauf, dass wir nicht das gleiche Gedankengut teilen, so konsequent auszublenden, finde ich daher ziemlich erschreckend.
      Was aber dabei auch wichtig ist zu erwähnen: Er ist einer der Nachbarn, die sich immer für unsere Familie und die Kinder interessiert haben und die stets sehr hilfsbereit waren. Für die Gemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus sehr wichtig. Hinzu kommt: Er ist kein Nazi. Er hat allerdings ein ziemlich verschobenes Bild von der Gesellschaft, was ebenfalls gefährlich ist. Mit einem Nazi hätte ich nicht diskutiert, und Umgang gepflegt hätte ich auch nicht. Dass er offenbar Sarrazin zu seinen Vorbildern zählt, ist auch mir neu. Seine politische Auffälligkeit ist zwar nationalistisch geprägt, war aber eher so auf der verschwörungstheoretischen Seite a la “Die Bundesrepublik ist kein Staat, daher muss ich keine Steuern zahlen” bis hin zu “Ich drucke mir meinen eigenen Pass”. Naja. Jetzt muss ich mir also überlegen, wie ich das Ganze handhabe. Oh, ja, darauf hab ich Bock. 🙂

      • Anita

        Zitat: “Dass er in der Lage ist/war, meine Einwände und Hinweise darauf, dass wir nicht das gleiche Gedankengut teilen, so konsequent auszublenden, finde ich daher ziemlich erschreckend.”

        und zeugt von Ignoranz gegenüber anderen Meinungen.

        Das Problem bei solch hilfsbereiten und vordergründig jovialen Menschen ist mE, dass sie in einer anderen Gesellschaft sich ganz anders gebaren werden. Sie sind mehr, als normale Mitläufer.
        Denn sie hinterfragen diverse Dinge einfach nicht, sondern nicken ab.

        Und ich empfinde diese Art als gefährlicher, als einen offensichtlichen Nazi. Denn das “Gift” kommt schleichend.

  6. Bei der Kombination “politisch-investigativ” und “im Stile Tilo Sarrazins” müsste einem ja eigentlich ohnehin ein Logikwölkchen im Hirn platzen. Was mich jetzt ein wenig erschreckt, ist, dass die Person Dich persönlich kennt. Gut, dass Du es weder für Geld noch für vermeintliche Ehre machst. Wäre sehr schlechte Gesellschaft. Bin gespannt, wie Dein nächstes Gespräch mit ihm laufen wird…. Liebe Grüße!

  7. Make money fast! Ohje, mein Beileid. Aber bei allem Befremden klopft mein Unterbewusstsein an und stellt sich die Frage, ob der arme Kerl vielleicht gerade massive Geldsorgen hat und deshalb auf so bescheuerte Ideen kommt. Mailadressen an Spammer zu verhökern dürfte nicht wirklcih einträglich sein. Und ja, ein Buch im “politisch-investigativem Stil von Thilo Sarrazin” zu schreiben dürfte auch nicht schwierig sein, nur hat der Nachbar dabei wohl übersehen, dass er eben kein prominenter Bonze aus der Politik ist sondern eben nur ein unbekannter Verschwörungstheoretiker, was den Marktwert seiner literarischen Ergüsse deutlich geringer macht. Wenn Sarrazin sein nächstes Hetzwerk schreibt, so wird er in den Mainstream-Medien dafür jede Menge Artikel bekommen die darauf hinweisen und es somit bewerben. Wenn Herr X aus Y so was schreibt, dann erfährt davon keiner was, außer vielleicht diejenigen deren Mail-Adressen er gesammelt hat. 🙂

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      … was schlimm genug wäre, wenn er vorher dieses Marketing-Dings macht. Auch zu diesem Punkt muss ich was schreiben. Wegen des implizierten Missbrauchs von personenbezogenen Daten. Ui, das wird was. Und dabei habe ich diese Woche derart viel zu tun … Aber so etwas wirft mich echt raus.

      Deinen Einwand mit den Geldsorgen werde ich im Hinterkopf behalten und mal vorfühlen, wenn ich ihn sehe. Ist natürlich eine Möglichkeit. Und bei der Diskussion hier ist mir noch etwas anderes eingefallen, was ich unbedingt fragen werde. Eigentlich hat er nämlich mal ein Buchprojekt über die Geschichte seiner Mutter geplant. Da gab es eine Flucht im zweiten Weltkrieg, und er wollte immer ihre Berichte verschriftlichen. Das scheint mir doch das viel bessere Projekt zu sein. Warum will er jetzt so einen Dreck schreiben? Ich frage.

  8. Zum Buchprojekt ist ja alles gesagt, krass! Was das Mail-Sammeln angeht, könntest du ihn vielleicht aufklären, dass er sich damit leicht Abmahnungen einhandeln kann, denn tatsächlich ist das unverlangte Versenden von SPAM verboten.

    Die Geld-verdienen-im-Internet-Maschen machen mittlerweile einen nicht kleinen Teil meines SPAM-Aufkommens aus. Wundert mich nicht, das solche “geistigen Minderleister” zur Klientel gehören, die darauf reinfallen!

    • Kommentar des Beitrags-Autors

      Danke Dir! Sehe ich genauso, das ist auch etwas, was ich ihm unbedingt schreiben werde. Ich bin sonst nicht so, aber ich dachte gestern schon mal “Wie einfach ist es doch in sozialen Netzwerken. Da blockst Du, und gut ist”. Naja, ich predige ja immer, man soll den Diskurs auch da suchen, wo er aussichtlos erscheint. Kann ich mich selbst mal beim Wort nehmen. 😀

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